Hildegard von Bingen wurde im Jahre
1098 geboren, vermutlich Tochter des Edelfreien Hildebertus von Bermersheim
(Vernersheim). Sie lebte ab 1106 bei Jutta von Sponheim,
die in einer Klause auf dem von Benediktinerinnen bewohnten Disibodenberg lebte. Hildegard
verfügte über ungewöhnliche mystische Fähigkeiten und wurde die Begabung einer Seherin
nachgesagt. Sie hatte große Kenntnisse als Ärztin, Naturwissenschaftlerin, Biologin,
Philosophin und Theologin.
Nach dem Tode Juttas von Sponheim wurde sie 1136 zur
"Meisterin der Klause" (Äbtissin) gewählt und gründete zwischen 1147 und 1150
das Kloster Rupertsberg bei Bingen am Rhein, das heute nicht mehr existiert, und 1165 in
Eibingen ein noch bestehendes Filialkloster. Ab dem Jahre 1138 begann sie, ihre Werke in
Latein niederzuschreiben. Mit 20 Schwestern siedelte sie 1148 vom Disibodenberg auf den
Rupertsberg bei Bingen am Rhein über.
Von Bernhard von
Clairvaux gefördert, begann sie 1141 in Zusammenarbeit mit Propst Volmar von
Disibodenberg , der ihre Grammatik korrigierte, sowie der Nonne Richardis von Stade ihre
Visionen und eigenen theologischen wie anthropologischen Vorstellungen in lateinischer
Sprache im Duktus mystischer Prophetie niederzuschreiben. Ihr Hauptwerk "Liber
Scivias Domini" (Wisse die Wege des Herrn), wie sie die 35 ganzseitigen
Miniaturen nannte, entstand in einem Zeitraum von sechs Jahren.Die Originalhandschrift
gilt seit Ende des 2.Weltkrieges als verschollen, allerdings existier eine illuminierte
Kopie aus dem Jahr 1939.
Bernhard von Clairvaux
verteidigte Hildegards Aussagen gegenüber Papst Eugen III. 1147/48 auf der Trierer
Synode. Ihr selbstbewusstes Auftreten ließ sie zu einer charismatischen Persönlichkeit
werden ("von innerem Licht beauftragt, ihre himmlische Belehrung mitzuteilen").
Sie predigte als erste Frau öffentlich, u.a. auf Predigtreisen nach Mainz,
Würzburg, Bamberg, Trier, Metz, Bonn und Köln; sie war Beraterin Kaiser Barbarossas, als dieser sich in Ingelheim
aufhielt. Im hohen Alter unternahm sie noch Reisen zum Kloster Zwiefalten in Oberschwaben
und nach Maulbronn.
Nach 1150 verfasste Hildegard mit "Causae et
Curae" (Ursachen und Heilungen) eine Abhandlung über den kranken Menschen und
weitere naturkundlichen Werke wie "Liber subtilitatum diversarum naturarum
creaturarum".
Ihre 70 selbst vertonten geistlichen Lieder (Kirchenlieder,
Sequenzen, Wechselgesänge und Antiphone) sind in der Sammlung Symphonia armonie celestium
revelationum (Die Symphonie der Harmonie der himmlischen Erscheinungen) zusammengefasst.
Darüber hinaus schrieb sie historische und exegetische sowie
homiletische Abhandlungen; ihre umfangreiche Korrespondenz mit hohen geistlichen und
weltlichen Würdenträgern ist in 300 Schriftstücken erhalten geblieben.
Obwohl Hildegard selbst ihre Quellen mit keinem Wort erwähnt
hat, läßt sich nachweisen, daß sie u.a. folgende Werke gut gekannt haben muß:
zunächst das bereits im 2. Jahrhundert in Ägypten enstandene allegorisierende
Naturkundebuch, den "Physiologus"; dann im Bereich der Pflanzenkunde die
wichtigste Arzneipflanzenkunde der Antike, die ca. 500 Pflanzen behandelnde "Materia
medica" des griechischen Arztes Dioskurides Pedanios (1.J.n.Chr.); dann
natürlich den berühmten "Hortulus" des
Reichenauer Abtes Walahfried Strabo (um 840) sowie das
meistgebrauchte Heilpflanzenbuch des Mittelalters, den "Macer Floridus"
(11. Jahrhundert), schließlich das verbreitete Pflanzenarzneibuch "Circa instans",
das ebenfalls im 11. Jahrhundert in der medizinischen Schule von Salerno entstanden war.
Hildegard von Bingen starb am 17. September 1179 auf dem
Rupertsberg.
Ihre Werke (Auswahl):
- Christliche Mystik:
- "Sci vias" ( Wisse die Wege)
- "De operatione Dei"
- "Liber divinorum operum"
- Heilkunde:
- "Physica"
- "Causae et curae" (Über Ursache und Behandlung)
Autor: Gunter Krebs |